Meine erste Parallele zwischen Kindheit und Berufsleben
Während meiner ersten längerfristigen Beschäftigung nach meiner Ausbildung als Erzieherin habe ich zu spüren bekommen was es heisst sich mit meiner Vergangenheit einen Beruf ausgesucht zu haben bei dem man automatisch viel von seiner eigenen Persönlichkeit miteinbringen muss. Der Beruf ist mein Traumberuf und hat vielseitige Motive für diese Wahl. Ich beschäftige mich auch sehr gerne mit mir und suche permanent nach Weiterentwicklungsmöglichkeiten im persönlichen Bereich wie auch beruflich. Ich liebe Herausforderungen. Dass meine eigene Kindheit und die Erfahrungen in dieser Zeit jedoch so großen Einfluss auf mein Berufsleben hätten damit habe ich nicht gerechnet.
Also meine erste feste Arbeitsstelle war als Erzieherin in einer Krippenin einer Gruppe mit vier anderen gleichgestellten Erzieherinnen. In dieser Einrichtung gab es noch zwei Gruppen die gemeinsam von einer Leiterin geführt wurden. Zu dieser einen Krippe gehörten noch zwei weitere ähnlich gestaltete Krippen im Gebäudekomplex mit denen wir zusammen einer anderen Leitung unterstellt waren. Die Leiterin meiner Krippe wurde zeitweise und notwendigerweise wegen Personalmangel auch in den anderen Krippen eingesetzt. Dadurch ergaben sich viele Aufgaben die in ihrer Verantwortlichkeit lagen jedoch nicht erledigt werden konnten oder delegiert wurden sondern unerledigt blieben. Unerfahren und überengagiert wie ich war versuchte ich die Lücken auszufüllen, mitzudenken und notwendige Aufgaben selbstständig zu übernehmen. Das alles im Glauben und der Hoffnung dass es der Leitung die selten anwesend war recht zu machen und Anerkennung zu erhalten (Die Suche nach Anerkennung war in vielen Lebensbereichen damals richtungsgebend für mich). Ich hatte die Erwartung dass diese Extraleistungen erwartet und als Engagement angesehen werden würden und mir meinen Arbeitsplatz der mit einer sechsmonatigen Probezeit versehen war sichern würde. Ich hatte das Ziel um jeden Preis die Probezeit zu überstehen und war bereit dafür all meine Fähigkeiten einzusetzen. Das man mit zu viel Aktivismus auch über das Ziel hinausschiessen könnte ahnte ich damals noch nicht. Ich dachte es wäre gut wenn ich mehr tue als von mir erwartet wird dachte, dass das als besondere Leistung anerkannt wird. Damit der Leitung auf den Schlips zu treten und dadurch in Konflikte zu geraten rechnete ich nicht. Selbst bei kleinen Auseinandersetzungen in denen ich gesagt bekam dass die Leitung das Gefühl habe ich würde um eine feste Position in dieser Einrichtung kämpfen die ich schon habe und dass sie merkt dass ich um etwas kämpfe wovon sie nicht weiss wofür ich es tue, verstand ich nicht was sie damit meinte. Die Reibung zwischen uns lies sich gegen Ende der Probezeit durch persönliche Gespräche klären in denen mir zum ersten Mal einhergehend mit einem heftigen Gefühlsausbruch bewusst wurde wie sehr die Bedingungen dieser Arbeiststelle den Erfahrungen meiner Kindheit ähnelten:
1. Die Leitung konnte aus unterschiedlichen Gründen ihre Verantwortungsbereiche nicht angemessen übernehmen wodurch viele Dinge unstrukturiert und unbeaufsichtig sowie unerledigt blieben.
2. Hier versuchte ich mehr zu leisten als von mir erwartet wurde und als in meinem Aufgabenbereich lag und erhoffte mir davon Anerkennung und Wertschätzung
3. Die Leitung fühlte sich davon auf den Schlips getreten und in ihren Aufgaben- und Verantwortungsbereich unerwünscht eingegriffen. Unter andererm dies führte dazu, dass die übergeordnete Leitung entschied mich nach Ende meine Probezeit nicht mehr weiter zu beschäftigen.
Diese Entlassung löste bei mir ein unglaublich starkes Gefühl der Ungerechtigkeit aus mit dem ich mehrere Wochen zu kämpfen hatte und das mich als Angst selbst in meiner nächsten Arbeitsstelle noch beschäftigte
Parallelen mit meinen Kindheitserfahrungen:
1. Meine Mutter war aus krankheitsbedingten psychischen Gründen nicht in der Lage nach der selbstgewählten Trennung von meinem Vater die Verantwortung für mich und meine Schwester zu übernehmen.
Sie arbeitete trotz Strukturproblemen, Zwangserkrankung und depressiven Phasen abends als Regalservice in einem Lebensmittelmarkt. Dabei nahm sie meistens meine Schwester mit und lies mich- oft ohne Absprache (kam Abends nach dem Hort in eine leere Wohnung) - alleine zu Hause . Sie war nicht in der Lage uns eine feste Tagesstruktur zu bieten da sie nachts spät heim kam (ca. 21.00 - 23.00 Uhr) und dann lang wach blieb und sich in den frühen Morgenstunden schlafen legte. Abends (ca. 19.00 Uhr) richtete ich den Vespertisch in der Hoffnung sie würde bald kommen und wir gemeinsam essen und deckte ihn enttäuscht wieder ab als sie eine Stunde später noch immer nicht da war. Manchmal ging ich alleine um neun oder zehn ins Bett und bekam gar nicht mehr mit wann sie mit meiner Schwester kam. Oder sie kam so spät dass wir (meist meine Schwester und Mutter alleine da ich schon vorher gegessen hatte) erst um elf oder zwölf zu abend aßen.
Dadurch bin ich (10 Jahre) selbstständig aufgestanden, habe meine Mutter mehrmals vergebens versucht zu wecken, habe meine Schwester (6 Jahre) geweckt, mich für die Schule gerichtet, meine Schwester motiviert dass sie weiterhin versucht meine Mutter zu wecken oder sich selbst für den Kindergarten richtet, teilweise habe ich sie selbst einhergehend mit Machtkämpfen zwischen ihr und mir (verständlicher Weise: "Du bist nicht meine Mama, du hast mir gar nichts zu sagen") in den Kindergarten gebracht und bin dann dadurch selbst zu spät in die Schule gekommen, was lautes Gelächter und Mobbing meiner Mitschüler nach sich zog.
Mit meiner Mutter hatte ich dann auch öfter Machtkämpfe denn je mehr ich für mich selbst übernahm und regelte und auch von ihren Aufgaben übernahm desto weniger wollte ich mir von ihr sagen lassen. In folge dieser Machtkämpfe und anderer Verhaltensauffälligkeiten meinerseits (klauen, Lügen) fielen dann Sätze ihrerseits wie: "Wenn das so weiter geht, musst du in ein Heim/ muss ich dich in ein Heim schicken" (was meiner damaligen Vorstellung einer grausamen Besserungsanstalt für ganz schlimme Kinder gleich kam). Zwei Jahre später bin ich dann zwar aufgrund einer stationären Behandlung meiner Mutter in einer psychatrischen Klinik aber dennoch freiwillig in eine Jugendwohngruppe gezogen, weil ich es nicht mehr ertragen konnte zwischen den Fronten meiner Eltern und der ganzen Alltagsbelastung zu stehen.
Fazit:
2. Ich habe mehr übernommen als ich musste, wollte alles richtig machen, habe auf Anerkennung, Aufmerksamkeit und Wertschätzung gehofft und wurde bitter enttäuscht als ich dies nicht bekam.
3. Meiner Mutter fiel es schwer mit meinen "Machtansprüchen" umzugehen, fühlte sich überfordert und sah eine Unterbringung in ein Heim als mögliche Lösung dafür an mit der sie mir drohte, was bei mir ein schlechtes Selbstbild hinterließ.
Als mir diese Parallele bewusst wurde ging es mir schon einiges besser. Nach mehreren Wochen konnte ich darin die Chance sehen die Erlebnisse meiner Vergangenheit zu verarbeiten und in einem neuen Licht zu sehen und daraus für die Zukunft zu lernen.
Ich hätte damals als Kind nicht soviel Verantwortung übernehmen müssen. Es war nicht meine Aufgabe. Eigentlich ist das einem Kind in dem Alter nicht zumutbar und ich hätte eine behütetere Familiensituation verdient. Das war damals jedoch nicht der Fall und mein Handeln war Ausdruck meiner inneren Stärke und hat mir geholfen der Mensch zu werden der ich bin. Ein solches Verhalten ist heute jedoch nicht mehr angemessen. Ich muss meiner Tendenz in verschiedene Lücken zu springen um sie auszufüllen und mehr zu tun als erwartet wird entgegenwirken. Es ist wichtig, dass ich in meinem Leben bei meinen Angelegenheiten bleibe, meine Erwartungen nicht zu hoch ansetze und eine realistische Sicht der Erwartungen erreiche die andere oder mein Arbeitgeber an mich stellen. Das ist keine leichte Aufgabe das merke ich täglich und auch in meiner aktuellen Arbeitsstelle wieder eine spürbare Herausforderung. Ich bewege mich nicht nur in diesem Bereich auf einem schmalen Grad zwischen den Gegensätzen. Zwischen Unsicherheit und Aktivismus. Zwischen der Gefahr zu hohe Erwartungen an mich und meine Leistungen zu stellen und der Angst die Erwartungen der anderen (vor allem Arbeitgeber) nicht erfüllen zu können. Zwischen der Notwendigkeit sich anzupassen und der Gefahr dabei nicht genügend auf meine Gesundheit und mein Wohlbefinden und darauf was mir gut tut oder nicht zu achten. Hoffentlich schaffe ich es diese Balance zu halten und irgendwann auf festem Boden zu stehen.
acinuy am 29. September 10
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